Alle Jahre wieder melden sich im Januar verschiedene «Verbandsheinis» mit folgendem Anliegen bei mir: Ob ich zum Thema Unternehmergeist an ihrer jährlichen Generalversammlung im Mai/Juni ein Impulsreferat halten könne. Solche Anfragen und der 50. Todestag des genialen Berner Troubadours Mani Matter waren meine Impulse zur vorliegenden Kolumne. Zuerst die Klärung von ein paar Begrifflichkeiten:
Der Verband/Verein
Als Verband wird meist ein Verein mit verschiedenen Sektionen oder Untergruppen bezeichnet. Es gibt den Dachverband (Zentralverband), in dem mehrere Vereine oder Sektionen zusammengeschlossen sind. Verbände gibt es in der Berufswelt, im Sozialen, im Sport- und Kulturbereich sowie in Politik und Wissenschaft. Rechtlich organisiert sind sie als Vereine, Stiftungen oder Genossenschaften. Ihr Einfluss und der Umfang ihrer Aktivitäten hängen vom Verbandszweck sowie von ihrer Grösse (Mitgliederzahlen) und Finanzkraft ab.
Verbände bieten ihren Mitgliedern Dienstleistungen wie Beratung, Rechtsvertretung und Weiterbildung an und vertreten deren Anliegen in politischen Prozessen. In kleineren Verbänden wird häufig auf freiwilliger Basis und in der Freizeit gearbeitet. In grösseren Verbänden sind es gewählte Fachpersonen, oft mit Hochschulabschluss, vor allem in den Bereichen Verwaltung, Lobbying, Bildung oder Kommunikation.
Verbandsheini/Vereinsmeier
Vereinsheini oder Vereinsmeier ist die oft despektierlich verwendete Bezeichnung für Personen, die sich stark in einem oder mehreren Vereinen engagieren und das Verbandsleben in- und auswendig kennen. Die Gattung der Verbandsheinis ist vom Aussterben bedroht. Da heutzutage viele Verbandsrituale etwas lockerer gehandhabt werden und der Verbandsjargon nicht mehr so geläufig ist, würden sich viele in Verbänden Engagierte niemals als Verbandsheinis bezeichnen, auch wenn ihr Engagement genauso gross ist, wie das in früheren Generationen der Fall war.
Was sind Verbände für mich? Welches Verhältnis habe ich zu ihnen?
Drei Impulse möchte ich dir mitgeben.
Ich kann dies am besten zeigen mit dem Lied von Mani
Matter «Mir hei e Verein».
Erster Impuls
Mir hei e Verein, i ghöre derzue
Und d’Lüt säge, lue dä ghört o derzue
Und mängisch ghören i würklech derzue
Und i sta derzue
Und de gsehn i de settig, die ghöre derzue
Und hei doch mit mir im Grund gno nüt z’tue
Und anderi won i doch piess* derzue
Ghöre nid derzue
*piess = passen würde
Der Wirtschaftsverband: ein Verein, eine Gemeinschaft. Ich komme mit sehr unterschiedlichen Menschen zusammen, verschiedenen Generationen, Nationen, Status. Unsere gemeinsamen Interessen: Der Verband will mit allen in Verbindung bleiben, alle Ziele unter einen Hut bringen, den Unternehmergeist fördern, den Nachwuchs für die Betriebe sicherstellen, Unternehmerweiterbildung anbieten oder wirtschaftspolitische Interessen vertreten.
Und dann mache ich folgende Erfahrung:
Ich organisiere einen Anlass, eine Weiterbildung. Mein Referat zum Thema Unternehmergeist habe ich besonders gut formuliert, es trifft den Zeitgeist. Vor meinem geistigen Auge sehe ich sie schon vor mir, alle die, für die ich diesen Aufwand betreibe. Und dann muss ich oft ernüchtert feststellen: Die, welche ich erwartet habe, die, welche ich erreichen wollte, sind gar nicht da. Dafür sind andere da, mit denen ich sonst nie zusammen sein, geschweige denn zusammenarbeiten würde.
Zweiter Impuls
Und i wirde verläge, sta nümm rächt derzue
Und dänken, o blaset mir doch i d’Schue
Und gibe nume ganz ungärn zue
Ja i ghöre derzue
Und de dänken i albe de doch wider, lue
S’ghört dä und dise ja ou no derzue
Und de ghören i doch wider gärn derzue
Und i sta derzue
So ghör i derzue, ghöre glych nid derzue
Und stande derzue, stande glych nid derzue
Bi mängisch stolz und ha mängisch gnue
Und das ghört derzue
Ich habe lange als Verbandsheini in einem grossen Wirtschaftsverband gearbeitet, und ich machte oft die Erfahrung, dass die Strukturen sehr schwerfällig sind. Prozesse wie finanzielle Entscheidungen oder personelle Weichenstellungen gehen sehr langsam vor sich. Dringende Entscheide werden nicht gefällt. Oder: Ich wurde übergangen. Andere, die näher an den Hebeln der Macht sind, entschieden ohne Rücksprachen und stiessen andere vor den Kopf. Da kam manchmal das Gefühl hoch: «Blaset mir doch i d Schue!»
Dritter Impuls
«Mir hei e Verein, i ghöre derzue
Und d’Lüt säge: Lue dä ghört o derzue
Und mängisch ghören i würklech derzue
Und i sta derzue.»
Der Verband ist für mich auch dies: ein Miteinander. Ich werde durch andere inspiriert und bereichert. Ich schätze die Chance, Eigenes einbringen zu können. Zu spüren: Da gibt es ein Fundament, das trägt. Eines, das über diesem Verband und seinen Strukturen steht. Wenn ich spüre: ich bin mit den anderen Berufskollegen im gleichen Boot. Rundherum tobt das wilde Wasser … Fachkräftemangel, Preiskampf, neue Vorschriften oder schlechte Wirtschaftslage. Und da können wir einander helfen, zusammen in der Not die Hoffnung nicht zu verlieren, sondern neue Lösungen zu generieren und den Unternehmergeist zu fördern. Dies ist mit ein Grund, weshalb ich Einladungen von Verbandsheinis, als Referent an einer GV aufzutreten, gerne annehme, denn:
«Und mängisch ghören i würklech derzue, und i stah derzue.»
Der Unternehmergeist und der Verbandsheini (PDF)
Zum gesamten Kundenmagazin WIR-Info 02/2023 geht es hier